Mein Podcast-Plan

Ich habe vor kurzem, inspiriert durch einen LinkedIn-Post zu einem verwandten Thema, den “Stundenplan” meiner wöchentlichen Podcasts auf Threads gepostet und ein bisschen Resonanz darauf bekommen. Deswegen wollte ich das hier noch einmal machen und ein bisschen mehr erläutern.

Das hier sind die Podcasts, die ich wöchentlich oder zweiwöchentlich regelmäßig höre, den Tagen zugeordnet, an denen sie erscheinen.

Kursiv geschriebene Podcasts erscheinen zweiwöchentlich.

Dazu kommen monatlich und unregelmäßig erscheinende Podcasts wie Auf Weltempfang, Fashion the Gaze, Imaginary Worlds, Sound School, Tasty MTG, Über Podcast, MKL – Mit Kindern Leben und Abweichendes Verhalten.

Außerdem gibt es Podcasts, die ich abonniert habe, aber meistens nicht höre, außer mich interessieren Thema/Gäst:in besonders oder ich habe gerade mehr Zeit als üblich, zum Beispiel Spreepolitik, Too Many Tabs, The Command Zone, Death, Sex & Money, Longform, Cuts, The Q&A with Jeff Goldsmith, Alles gesagt?, Lakonisch Elegant, Töne Texte Bilder, Brave New World und Quoted.

Zudem gibt es einige Podcasts, die abgeschlossen sind oder nur in Staffeln erscheinen. Je nach Zeitbudget höre ich davon meist auch noch zwei oder drei. Aktuell sind das etwa Justitias Wille und Serial Staffel 4. Neue Staffeln von You Must Remember This, Land of the Giants und Decoder Ring kommen bestimmt demnächst.

Und irgendwie habe ich es in letzter Zeit geschafft, auch noch einzelne Folgen von Neuerscheinungen für meine Höreindrücke zu hören.

Ich weiß, dass das ganz schön viel ist, auch wenn ich zum Glück feststellen konnte, dass ich nicht der einzige mit einem solchen Plan bin. Deswegen hier ein paar Antworten auf eventuell naheliegende Fragen:

Wie schaffst du das?

Zunächst höre ich englischsprachige Podcasts und deutschsprachige Storytelling-Podcasts auf 1,5-facher Geschwindigkeit. Deutschsprachige Gesprächspodcasts höre ich auf 2-facher Geschwindigkeit. Das spart schon mal viel Zeit.

Dann habe ich relativ feste Zeiten am Tag, zu denen ich Podcasts höre. Morgens im Bad (ca. 20 Minuten), auf dem Hin- oder Rückweg zur Kita (20 Minuten), abends beim Aufräumen der Küche (30 Minuten) und meist in der Mittagspause, bei Hausarbeiten oder anderen Wegen (30-45 Minuten). Das sind also meist etwas mehr als zwei Stunden am Tag, und das reicht.

Hörst du wirklich alles?

Nein. Bei This American Life zum Beispiel ist jede dritte Folge eine Wiederholung, die ich in der Regel ignoriere. Ähnlich streng gehe ich mit vielen anderen Formaten um, die ich zwar mag, aber bei denen man auch nichts verpasst, wenn man mal eine Folge auslässt. Ich versuche schon immer die meisten Sachen innerhalb weniger Tage zu hören. Wenn etwas zu lange meinen Queue verstopft und ich das Gefühl habe, dass ich nicht mehr dazu komme, weil immer wieder Neues nachkommt, lösche ich es.

Und das hörst du alles zusätzlich zu deinem restlichen Medienkonsum?

Jein. Diese Podcasts sind mein primärer Medienkonsum. Ich lese zusätzlich viele Newsletter (vielleicht dazu bald mal ein eigener Post) und einige Artikel, die mir über Social Media begegnen, aber ich lese keine Tageszeitung, keine Nachrichtenseiten, gucke keine aktuellen Nachrichtensendungen oder Talkshows und ignoriere tagesaktuelles Nachrchtengeschehen voller Pseudoereignisse meist generell zugunsten von tieferen Analysen mit längerem Horizont. Auch das spart sehr viel Zeit.

Warum sind die Podcasts fast alle amerikanisch?

Als ich vor etwa 15 Jahren verstärkt mit dem Podcast hören angefangen habe, waren Podcasts wie This American Life, Planet Money und Radiolab meine Einstiegsdrogen. Wenn man sich einmal in diesem Ökosystem befindet, stößt man immer wieder auf neue Podcasts aus ihrem jeweiligen Umfeld, und wenn man dann erstmal einen Podcast liebgewonnen hat, fällt es schwer, ihn irgendwann aufzugeben. Aber dann ist der Stundenplan eben auch schnell voll und es ist für neue (deutsche) Podcasts schwieriger, sich einen festen Platz zu erstreiten.

Was sind das für Podcasts?

Ich bin Kultur- und Medienjournalist, daher stammen auch viele Podcasts aus diesem Bereich, etwa das Culture Gabfest, das die Inspiration für meinen eigenen Podcast Kulturindustrie war, Good One (Comedy), All Songs Considered, Switched on Pop und Hit Parade (Musik), 50 MPH (Film), Übermedien und Übers Podcasten (Medien) und Our Opinions Are Correct (Science-Fiction). Dazu kommen einige Informationspodcast auf dem genannten übergeordneten Niveau wie This American Life, Planet Money, Die Wochendämmerung und die Ezra Klein Show. Und einige Podcasts zu meinem Hobby, dem Kartenspiel Magic: The Gathering.

Was fehlt?

Ich vermisse immer noch einen echten Hangout-Podcast, der genau zu mir passt. Was für andere die Drinnies oder Gästeliste Geisterbahn sind – einfach Leute, die über alles und nichts labern und die man als Pseudo-Freunde haben kann. Vielleicht sind meine Ansprüche zu hoch, aber vielleicht ist dieser Podcast ja auch irgendwo da draußen. Also gerne in den Kommentaren empfehlen.

Juice, NDA – Die Akte Kasia Lenhardt, Phänomenal Paranormal – Drei Podcast-Kurzkritiken

Schon wieder neue Höreindrücke. Kleine Erinnerung: Ich habe von diesen Podcasts meist nur 1-3 Folgen gehört und schildere hier wirklich nur meinen ersten Eindruck.

JUICE (Kugel und Niere)

“Juice” bekommt von mir auf jeden Fall schon mal den Preis für das beste Podcastcover seit langem. Die beiden Hosts haben echte Chemie, und ich mag es, wie sie die Geschichten, die sie sich erzählen, spontan ausschmücken und ihnen eine eigene Note geben. Ändert nur nichts daran, dass ich milde peinliche Geschichten, die anonymisierten Leuten passiert sind, die ich nicht kenne, einfach gar nicht interessant finde. Entsteht die Saftigkeit von solchem Gossip nicht dadurch, dass man sein eigenes Bild der Person mit der Handlung der Geschichte abgleicht? (Wertfreies Alter-Mann-PS: Ich bin immer wieder aufs Neue erstaunt, welche Menge an scheinbar beliebigen deutschen Wörtern Gen Z beim freien Reden durch ihr englisches Äquivalent replaced.)

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NDA – Die Akte Kasia Lenhardt (Der Spiegel)

Die beiden Hosts thematisieren es am Ende der ersten Folge selbst: Dieser Podcast ist ein Drahtseilakt. Einerseits hat man mit Original-Sprachnachrichten eines mutmaßlichen Gewaltopfers ein wertvolles Audio-Artefakt, das man gerne präsentieren möchte. Andererseits bewegen sich große Teile der Reportage zwischen banalen Fakten (Orten, Zeiten) und unprüfbaren Verdachtssituationen, um die das Format daher ständig umständliche sprachliche Volten schlagen muss, damit es juristisch sauber bleibt. Schließlich ist da auch noch der Widerstreit jeder Investigativrecherche in prominenten Milieus, zwischen einem ernsthaften Wunsch nach Aufklärung und dem Gefühl, nah dran am True-Crime-Sensationalismus zu sein. Insbesondere wenn man auch noch eine spannende Geschichte erzählen will, die über mehrere Folgen trägt. Ich finde den Weg in der ersten Episode professionell, aber noch holprig. Mal gelingt der Spagat, mal nicht.

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Phänomenal Paranormal (BosePark/Podimo)

Manchmal denke ich, ich sollte aufhören Podcasts zu hören, für die ich nicht zur Zielgruppe gehöre. Allerdings kann ich die hier auch nicht eindeutig identifizieren. 15-Jährige, die sich zum ersten Mal mit dem “Paranormalen” beschäftigen? Gelangweilte Erwachsene, die Gruselgeschichten erzählt bekommen wollen? Menschen, die psychologische Erklärungen für Urban Legends suchen? Das Presenter-Duo soll anscheinend alle Quadranten abdecken, passt aber nicht so wirklich gut zusammen. Vor allem hatte ich den Eindruck, Marc Augustat hätte das Format lieber alleine gemacht. Er bekam aber aus Reichweitengründen einen jungen, lustigen Sidekick zur Seite gestellt, den er zähneknirschend akzeptiert hat, weil man das halt heute so macht – und weil es sonst vielleicht gar keinen Podcast gegeben hätte.

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Soll ich in deinen neuen Podcast mal reinhören? Oder (Hybris!) willst du mich gleich für eine Neuentwicklung dazuholen? Schreib mir.

11 Leben Staffel 2, Fuck You Very, Very Much, Kakadu bei euch – Drei Podcast-Kurzkritiken

Es sind Markus-Kavka-Wochen bei den Höreindrücken. Das ist aber Zufall.

11 Leben – Die Welt von Lothar Matthäus (WakeWord/RTL+)

Es gibt nur ein’ Max-Jakob Ost, aber ich verstehe den Wunsch von RTL, einen erfolgreichen Podcastfeed nicht verwaisen zu lassen. Ich finde auch, dass Markus Kavka eine gute idee für einen Host ist, als ähnlicher Jahrgang und Co-Franke von Matthäus. Und natürlich klingt das Ergebnis anders als bei der Kulturgeschichte des deutschen Fußballs, die Max mit hoher persönlicher Motivation vor drei Jahren geboren hat. Weniger verkopft, mit einem etwas onkeligen Kavka, der wahllos seine eigene Biografie als Vergleichspunkt heranzieht und sich sehr oft vorstellt, wie es denn wohl gewesen sein könnte (mein unliebstes Podcast-Stilmittel, insbesondere wenn es wie hier mit Captain-Obvious-Sounddesign gepaart wird). “11 Leben: Das Sequel” ist nicht verkehrt, aber es ist eher Infotainment und dürfte anders als Staffel 1 wenig Menschen ansprechen, die sich nicht sowieso für Fußball-Legenden interessieren. Passt wahrscheinlich ganz gut zur Marke RTL.

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Fuck You Very, Very Much! (Kugel und Niere/ARDKultur)

Kugel und Niere hat das Format des “Umgekehrten Interviews” (eine Person hat Infos mitgebracht, die andere reagiert) raus, und “Fuck You” ist keine Ausnahme. Das Host-Duo Markus Kavka und Jennifer Weist ist gut gecastet. Die eine bringt Musikindustrie-Erfahrung von innen, der andere von außen mit, und die persönlichen Anekdoten bereichern die Erzählungen von berühmten Pop-Fehden nicht immer gehaltvoll aber meist unterhaltsam. Alles in allem ist das Format vor allem fluffig und dürfte Musiknerds wenige neue Erkenntnisse bieten, aber so ist es vermutlich auch gedacht. Geiler Titel.

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Kakadu bei euch (Deutschlandfunk)

Neues Format innerhalb des “Kakadu”-Podcast-Feeds, in dem Kinder sich und ihre Welt vorstellen. Die zwei ersten Folgen porträtieren einen Autoschrauber und eine Jüdin am Schabbat. Mein Kind ist noch einen Hauch zu jung dafür, aber es würde ihm sicher gefallen. Besonders schön ist, wie die Kinder und ihre Sicht auf die Dinge im Zentrum steht. Ich war erstaunt von der schieren Menge an Sound Design, die eingesetzt wird, um die Stücke auszuschmücken. Manchmal fast etwas zu viel für meinen Geschmack. In Folge eins wird zudem gleich mal ein Tipp gegeben, wie man mit minderjährigem Autofahren davonkommt (“Meine Mama wusste nichts davon!”). Der Kakadu hat also eine gewisse Anarcho-Kraft und fungiert gleichzeitig mit seinen Zwischenrufen wie eine Art griechischer Chor – ein Stilmittel, das man sich auch mal für erwachsene Podcasts abschauen könnte.

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In zwei Wochen gibt es keine Höreindrücke, dafür geht es dann los mit dem Podcapril, für den ich ich dieses Jahr das Konzept etwas verändere. Meinungen zu Podcasts wird es also auf jeden Fall trotzdem zu lesen geben.

Justitias Wille, Geschafft?!, Bohniger Wachmacher, Development Hell – Vier Podcast-Kurzkritiken

Back by popular demand. Wer mir neue Podcasts nahelegen möchte, die ich in diesen Höreindrücken featuren soll, kann mir gerne schreiben.

Justitias Wille (Partners in Crime/Studio Bummens)

Das Geständnis gleich zu Anfang: Ich habe große Vorurteile über “Mordlust” und ähnliche “True Crime nacherzählen”-Podcasts ohne sie bisher selbst gehört zu haben (I know!). Entsprechend war ich auch sehr skeptisch gegenüber “Justitias Wille”, aber Paulina Krasa und Laura Wohlers haben mich überzeugt. Anders als Titel und Design vermuten lassen, ist der Podcast einfach journalistisch gut erzählt und tatsächlich hochrelevant. Eine nachvollziehbare persönliche Motivation gibt es auch. Und ich ziehe meinen Hut vor der logistischen Leistung, eine vorreportierte und dramaturgisch durchgeplante Geschichte mit der aktuellen Entwicklung eines laufenden Prozesses zu koppeln. (Ich bin kein Fan des “Ich fahr jetzt mal nach Hause”-Cold Opens, aber ich verstehe, warum er existiert.)

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Geschafft?! (NDR)

Für mich ein klassischer Fall von “zu viel auf einmal gewollt”. Ja, es kann interessant sein, die “Polykrise” mal auseinanderzunehmen und auf ihre Folgen zu schauen. Aber der nachvollziehbare Wunsch, nicht nur mit Experten, sondern auch mit Normalos zu reden, macht die Ergebnisse zu schnell zu beliebig. Am Ende bleiben immer nur ein paar Erkenntnisfetzen übrig. Vieles habe ich direkt wieder vergessen, weil es gefühlt keine konkrete Frage gibt, der der hemdsärmelige Host Claas Christophersen wirklich nachspürt. Ich beobachte das immer wieder, auch bei mir selbst: Das Vage ist der Feind des Interessanten. 

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Development Hell (Pushkin Industries)

Mini-Reihe im Feed von Malcolm Gladwells “Revisionist History”, die leider völlig falsch betitelt ist. Denn zumindest in den ersten zwei Folgen werden mitnichten “Development Hell”-Geschichten erzählt, in denen Filme immer und immer wieder umgeschrieben und verschlimmbessert werden (darüber gibt es reichlich Stories in Hollywood), sondern einfach milde interessante Buddy-Interviews über Drehbücher die nicht verfilmt wurden. Darin stecken gelegentlich interessante Details (etwa welches Drehbuch Heath Ledger kurz vor seinem Tod las) und Fragen, aber die sind kaum die 40 Minuten pro Folge wert.

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Bohniger Wachmacher (Dax Werner/Moritz Hürtgen)

Ich bin insofern ein Spießer, dass ich diese Art von “Niemand kann sagen, ob es jetzt gerade Ironie ist oder nicht”-Humor einfach nicht mag. (Ich finde ihn ein wenig feige, don’t @ me.) Und damit bin ich einfach ganz klar nicht die Zielgruppe für diesen Podcast. Aber hey, die Idee einer relativ sinnlosen Plauder-Morningshow auf Abruf könnte man einfach für jede beliebige Nische ausrollen – vielleicht finde ich dann ja auch endlich die Hangout-Show, die ich mir wünsche. – Tipps gerne in die Kommentare.

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Crashkurs, Nach der Kohle, Hopeful News, Goodbye Stranger – Vier Podcast-Kurzkritiken

Ab dreimal ist es Tradition: Es folgen wieder vier kurze Höreindrücke von neuen Podcasts aus den letzten zwei Wochen.

Crashkurs – Wirtschaft trifft Geschichte (DLF)

Ich finde es immer hilfreich, einen weiten Blick auf aktuelle Themen zu wagen, und Crashkurs enttäuscht hier nicht. Mit einem erklärenden Ansatz wird auf derzeit kursierende Wirtschaftsthemen und die historische Dimension etwa von Inflation, Arbeitszeit und Wohnungsnot geschaut. Dabei machen die vielen Zeitsprünge manchmal ein wenig schwindelig, aber die wichtigen Lektionen bleiben trotzdem haften. Ich habe zwei Hoffnungen: Erstens, dass der Claim “Es war alles schon mal da, wenn auch anders” irgendwann auch mal auf der Meta-Ebene hinterfragt wird und zweitens, dass der Podcast und Host Sandra Pfister noch ein bisschen besser die Balance zwischen Podcast-Lässigkeit und Deutschlandfunk-Seriösität finden – dort knirscht es nämlich manchmal noch ein bisschen.

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Nach der Kohle (detektor.fm)

Die Struktur fällt zuerst auf. Statt sechs Folgen zwischen 35 und 45 Minuten gibt es zwölf halb so lange. Eine Idee, die es sich lohnt auszuprobieren. Die große Geschichte wirkt dadurch aber doch stark zerstückelt. Folge 1, die eigentlich nur eine Art längere Einstiegs-Szene ist, hängt, zum Beispiel, ziemlich in der Luft. Folge 2 und 3 habe ich hintereinanderweg gehört und fühlte mich deutlich besser abgeholt – werde also den Rest wahrscheinlich lieber nach Abschluss bingen. Die zentrale Frage der Produktion – “Was ist eigentlich Strukturwandel?” – ist auf jeden Fall klar definiert, und ich hoffe, dass sie später noch als Ganzes angegangen wird und sich nicht nur fragmentarisch aus Einzelgeschichten zusammensetzt. Joana Voss ist eine gute Reporterin und Host, aber in dieser Meinung bin ich befangen, weil ich schon einmal kurz, aber sehr positiv, mit ihr zusammengearbeitet habe.

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Hopeful News (Hauseins)

Ich war wirklich bereit, mein zynisches Herz von diesem Gute-Nachrichten-Format erweichen zu lassen, aber ich muss leider zugeben, dass ich fast nichts daran mag. Vom Titel über die klimpernde Musik und das Sounddesign tue ich mich schon mit der Aufmachung schwer. Aber wirklich schwierig wird es bei der Struktur: Krampfhaft eine gute Nachricht für jeden Wochentag zu präsentieren, finde ich bemüht. Dazu ist immer noch ein Gast im Podcast, der/die aber über die Reichweitenerhöhung hinaus keine wirkliche Aufgabe hat, außer das Gehörte relativ egal zu kommentieren und von Nicole Diekmann zerschmeichelt zu werden. Warum bringt die Gästin nicht wenigstens eine eigene gute Nachricht mit? Und um einmal Erbsen zu zählen: Tracy Chapmans Song heißt “Fast Car” und nicht “Fast Cars” und sie hat dafür keinen Emmy, sondern einen Grammy gewonnen. Stecken solche Flüchtigkeitsfehler auch in den anderen Meldungen?

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Goodbye Stranger (DLF)

Podcast kann auch künstlerische, persönliche Doku sein. Gibt es gefühlt noch viel zu wenig. Hier war ich anfangs skeptisch und fühlte mich nicht angesprochen, aber die Autor:innen Felizitas Stilleke und Conrad Rodenberg, die ihren “verlorenen” Vätern nachspüren (einer ist vor 14 Jahren gestorben, der andere hat Demenz), haben mich mit jeder Folge mehr in ihre Geschichte hineingezogen. Ab und an etwas zu viele Stilelemente aus dem künstlerischen Hörspiel (Warum immer Flüster-Klangmontagen?!), aber ansonsten ein fantastischer Audio-Essay.

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In 5 Tagen Mord, HDGDL, Brave New World, Der Kunstzerstörer – Vier Podcast-Kurzkritiken

Ich hatte in den vergangenen zwei Wochen wieder Zeit, in ein paar neue Podcastformate reinzuhören und möchte erneut meine ersten Höreindrücke teilen.

In 5 Tagen Mord: Die Krimi-Challenge mit KI (BR)

Wie gut mir diese wilde Mischung aus Kreativ-Herausforderung und Aufgreifen von aktuellen Themen gefallen hat, habe ich sowohl gepodcastet als auch in einer echten Kritik aufgeschrieben. An beiden Stellen habe ich auch gesagt: Die Formatinnovation ist das eine (ich könnte mir vorstellen, dass sie Schule macht und wir mehr solcher Challenges bekommen, und ich musste sofort an Our Debut Album zurückdenken). Besonders wird der Podcast aber erst durch sein Personal (Christian Schiffer und Janina Rook) und sein gutes Skript. Ideen sind eben nicht alles.

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hdgdl (Kugel und Niere)

Pure Nostalgie ist langweilig. Aber Christian Alt und Yasmin Polat mischen ihre humorige Rückbesinnung auf die eigene Jugend (sie sind 6 und 7 Jahre jünger als ich, also gibt es eine kleine Verschiebung) zum Glück mit einer guten Dosis journalistischem Hintergrund. So steckt in jeder Folge auch ein bisschen überraschendes Wissen zum Mitnehmen. Das macht das Format rund. Gute Wochen für Christians mit klugen Co-Moderatorinnen.

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Brave New World (BosePark/ZDF)

Das journalistische Äquivalent zum Promi-Podcast. Alle drei Frauen – Katrin Eigendorf, Golineh Atai, Jagoda Marinić – sind super, in dem was sie tun, aber funktionieren sie auch zusammen in einem Raum? Ich bin nach zwei Folgen mäßig überzeugt. Folge 1 ist eine gute Meta-Betrachtung der Weltlage durch die Linse der Medien. Folge 2 wirkt schon etwas beliebig und driftet gelegentlich in insiderige Selbstbespiegelung ab. Die Stimmen der drei Sprecherinnen sind sehr schwer auseinanderzuhalten. Zudem finde ich den Namen des Podcasts und die in den Sendungen gewählte Interpretation des Shakespeare-Zitats nicht sehr gelungen. Auch die Covergestaltung ist erstaunlich lieblos.

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Der Kunstzerstörer (Radio Bremen/ARD Kultur)

Muss in einer Welt, in der es viele Podcasts gibt, alles Podcast werden? Schon nach einer Folge hatte ich das Gefühl, dass hier trotz des tollen Audio-Artefakts im Zentrum (bisher ungesendete Original-Interviews), ein vielversprechendes Radiofeature zu einem vierteiligen Podcast verwässert wurde, der sich mit vielen Redundanzen über die Zeit rettet. Die erneute Vermarktung einer solchen Geschichte als “Kultur True Crime” stößt mir ebenfalls sauer auf.

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Falls ich es schaffe, diesen Rhythmus beizubehalten, lest ihr in zwei Wochen unter anderem etwas zu Nach der Kohle (detektor.fm) und Crashkurs (DLF).

Rasenball, CUT, What the Wirtschaft?, AIDS-Leugner – Vier Podcast-Kurzkritiken

Ich habe am Wochenende Podcasts gehört und wollte ein paar schnelle Höreindrücke teilen. Als echte Kritiken sollte man diese Texte nicht lesen, da alle Anhörungen (?) noch unvollständig sind, aber ich denke, es reicht für einen allgemeinen Eindruck und jetzt habe ich gerade Zeit zum Schreiben.

Rasenball (Undone/MDR)

Als jemand, der schon 11 Leben gut fand, ist es kein Wunder, dass ich auch hier mit Spannung zuhöre. Nicht, weil ich Fußballfan bin, sondern weil mich die Hintergründe von Entertainment schon immer interessiert haben. Und das Team rund um Patrick Stegemann und Katharina Reckers liefert: Rasenball ist gut strukturiert, lebendig erzählt, bietet genau die richtige Balance aus Szenen, Erklärung und These. Jede Folge hat ein klares Ziel, auf das sie hinarbeitet, gemeinsam entsteht ein rundes Bild. Und als Hörer frage ich mich tatsächlich die ganze Zeit: Ist das jetzt schlimm oder nicht? Falle hin und her zwischen den beiden Ansichten. Das sollte die Mission sein und sie wird rundum erfüllt.

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CUT – Das Silvester, das uns verfolgt (WDR)

Genau das, was ich an Rasenball gut finde, fehlt CUT. Obwohl die Doppel-Moderation gut gewählt ist, wirkt das Projekt erstaunlich uneben. Die Aufgabe ist riesig und es gelingt einfach nicht, sie an einer klaren Linie (man könnte auch sagen: Geschichte) entlang zu erzählen. Zu viele Sprünge, zu viele Themen und Zeitebenen gleichzeitig, Protagonisten kommen und gehen. Bei einer der zentralen Personen weiß man auch nach drei Folgen noch nicht, ob seine Geschichte wirklich auch einen direkten Bezug zum Titel-Ereignis hat oder ob sie nur eine prototypische Flüchtlingsgeschichte sein soll. Dazu ein wirklich verschlimmbesserter Titel: Erstens ein englisches Wort, für das es eine direkte deutsche Übersetzung gegeben hätte, dann ein Relativsatz, und schließlich unnötiger Sensationalismus. Schade.

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What the Wirtschaft? (DLF)

Geil – Planet Money für Deutschland? Leider nicht, eher “beliebige Wirtschaftsthemen im Morningshow-Gewand”. Die erste Folge hat genau eine relativ einfache These: Für Luxusmarken ist Haute Couture vor allem Marketing. Um das zu erklären reichen einige Interviewschnipsel. Den Rest der Zeit verbringen die Hosts damit, miteinander und übereinander hinwegzuquatschen und immer wieder die Metapher hervorzuholen, dass die Branche gemeinsam so viel Geld umsetzt wie ein kleines Land. Wenig Erkenntnisgewinn. Eventuell bin ich zu alt, um Zielgruppe zu sein. Aber eine Folge ist ja auch noch kein Podcast.

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AIDS-Leugner – Der fatale Irrweg der Christine Maggiore (DLF)

Von dieser Dokuserie habe ich tatsächlich erst eine Folge gehört und kann mir daher kaum ein Urteil anmaßen. Drauf gestoßen bin ich allerdings, weil mehrere Kolleg:innen den Podcast empfohlen haben, und ich stimme ihnen bisher zu. In der ersten Folge fand ich den doppelten Hook besonders stark. Erst die Frage mit persönlichem Bezug: Warum unterstützt eine Band wie die Foo Fighters so eine krude Unternehmung, das heißt: wie hat es jemand geschafft, für sein Anliegen so viel Aufmerksamkeit zu bekommen? Dann der direkte Bezug zu aktuellen Geschehnissen: Was wir bei Corona erlebt haben, ist alles andere als neu, aber war vorher kaum bekannt. Das ist einfach stark genug, dass ich weiterhören will, und das braucht es.

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Randnotiz: Hat man sich jetzt auf fünf Folgen als ideale Dokupodcast-Länge geeinigt?

Vom Podcast gelernt: X-Base

Meine LÄUFT-Doppel-Sonderfolge zur fast vergessenen ZDF-Computerspielesendung X-Base war mein erster Ausflug ins narrative Podcasting. Umgesetzt habe ich sie weitgehend als Ein-Personen-Projekt. Was habe ich gelernt?

🕸️ Struktur: Ich habe schon während der Recherchephase immer wieder geplant, und umgeplant, in welcher Reihenfolge ich die Geschichte erzählen will. Das half mir dabei, in Interviews die richtigen Fragen zu stellen und den Gesamtumfang im Auge zu behalten. Je nach Projekt würde ich hier in Zukunft noch offener für Veränderung während des Prozesses sein, aber es sollte dennoch zu jedem Zeitpunkt eine Struktur geben.

So sah die finale Struktur aus – das Endprodukt weicht in einigen Punkten noch davon ab.

🧑‍🤝‍🧑 Interviews: Ich habe halb bewusst, halb durch Zufall, meine sechs Interviews in einer ziemlich guten Reihenfolge geführt. Erst Hintergrund, dann Struktur, dann “Farbe” (Anekdoten) und schließlich “die andere Seite”. Würde ich wieder so machen.

💔 Was fehlt: Ich bin untröstlich, dass so vieles im Podcast nicht zu hören ist. Personen reden minutenlang über Niels Ruf, ohne dass ich seine Seite der Geschichte hören konnte (Er hat auf meine Anfragen nicht reagiert). Und ich beschreibe ständig eine Sendung, ohne dass man Originaltöne dieser Sendung hört (ich hatte Angst vor der Schlangengrube Rechteklärung). Nächstes Mal: Mehr Tonquellen wagen.

⚙️Workflow 1: Ich habe jedes Interview so schnell wie möglich nach dem Führen mit Whisper transkribiert, durchgelesen und die relevantesten Zitate direkt zu verschiedenen Überschriften in ein GoogleDoc sortiert und in verschiedenen Farben markiert. Aus einer Kopie dieses Dokuments wurde später mein Skript. Würde ich wieder so machen.

🎙️ Workflow 2: Ich hatte noch nie so viele Töne in einem Projekt gemanagt. Nach Rücksprache mit Kolleginnen habe ich anhand der Transkripte (mit Timecode) die Töne zunächst pro Spur geschnitten und in der Bay/Library nach dem Schema (SPRECHER – Erste Wörter des Tons) benannt. Dann habe ich meine Narration aufgenommen, ebenfalls zerstückelt und schließlich das Puzzle zusammengesetzt. War okay. Geht aber sicher besser.

🛠️ Tools: Ohne die automatische Transkription von MacWhisper wäre dieses Projekt im gesteckten Zeitrahmen (insgesamt ca. 7 Arbeitstage, aber wild verteilt) nicht möglich gewesen. Und vor dem Horror eines zwar gut ausgesteuerten, aber aus Mangel an Alternativen in einem hallenden, brummenden Raum aufgenommenen Interviews hat mich das Plugin DXREVIVE gerettet. Zweimal sehr gut investiertes Geld!

🧑‍🤝‍🧑 With a little help from my friends: Zwei Freunde, denen ich auch im Abspann danke, haben mir wertvolles Feedback zum Skript gegeben (ich konnte einen ganzen Erzählstrang eliminieren!) und mir die Musik ihrer Band kostenlos zur Verfügung gestellt (so klingen alle Einsätze aus einem Guss). Lektion: Das kann ich nicht jedes Mal machen!

Und schließlich Inhalt: Obwohl ich stolz auf das Ergebnis bin, kann ich auf Basis des erhaltenen Feedbacks klar sagen, dass es mir nicht gelungen ist, die Geschichte mit der Art und Weise, wie ich sie erzähle, für ein breiteres Publikum relevant zu machen. Wer X-Base nicht kennt oder sich ohnehin für die umgebenden, recht speziellen Themen (Kultur und Medien der 90er, Interaktives Fernsehen, Verjüngungsversuche der Öffentlich-Rechtlichen, Aufstieg der Videospiele zum Massenmedium) interessiert, der fragt sich vermutlich nach rund 15 Minuten “Warum soll ich weiterhören – vor allem, wenn ich noch weitere 55 Minuten vor mir habe?” 

Ich habe mich von meiner eigenen Faszination für das Sujet leiten lassen und damit am Ende eine Geschichte für ähnlich gelagerte Nerds erzählt. Das ist an und für sich nichts Schlimmes. Ich würde es aber das nächste Mal entweder das Thema oder den Frame so auswählen, dass sie auf einen breiteren Resonanzboden treffen.

Bild: Alex/DALL-E

Lieblingsfilme 2023

Machen wir es kurz und schmerzlos: Mein Filmjahr war nicht sehr ergiebig (Letterboxd verzeichnet 51 Filme), aber es waren schon genug Filme dabei, die mir gefallen haben. An der folgenden Liste finde ich erfreulich, dass drei Filme in der Top 4 von Regisseurinnen stammen. Killers of the Flower Moon ist der Film, den ich direkt nach dem Ansehen am kritischsten bewertet habe, der aber durch weiteres Nachdenken und drüber reden gewachsen ist. Dungeons and Dragons ist sicher filmisch nicht wirklich viel großartiger als einige Filme, die weiter unten auf der Liste stehen, aber er hat mir einfach sehr viel Spaß gemacht, und ich freue mich darauf, ihn mit anderen Leuten erneut zu sehen.

Dass Banshees of Inisherin und Past Lives mich bewegt haben, sagt ein bisschen was darüber aus, dass Freundschaft für mich ein wichtiges Thema bleibt. Über diese Filme denke ich auch immer wieder nach, insbesondere Past Lives. Hingegen sind Asteroid City (Podcast) und The Fabelmans (Podcast) Filme, die ich mochte, aber die nicht mehr wirklich nachhallen. Dass Across the Spider-Verse es nicht schafft, seine Geschichte innerhalb eines sehr langen Films zu Ende zu erzählen, spricht nicht für den Film, aber irgendwie fand ich das Ding trotz aller Kritik doch irgendwie beachtlich (Podcast).

Eine weitere große Freude des Filmjahres: Immer mehr Kinobesuche und Heimvideonachmittage mit Kind (5). Man schaut zwar auch Quatsch wie Elemental oder sogar PAW Patrol: The Mighty Movie, aber wer weiß, wann ich sonst endlich mal den fantastischen Kikis kleiner Lieferservice nachgeholt hätte. Ich freue mich drauf, in den nächsten Jahren meinen Filmkonsum einfach mit Kind langsam wieder hochzufahren.

Hier ist die Liste:

  1. Anatomie d’une chute
  2. The Banshees of Inisherin
  3. Saint Omer
  4. Past Lives
  5. Dungeons and Dragons: Honor among Thieves
  6. Asteroid City
  7. The Fabelmans
  8. Killers of the Flower Moon
  9. Spider Man: Across The Spider-Verse
  10. As Bestas

Bild: Plaion Pictures

Gedanken zu Podcasts im Jahr 2023

Ich habe lange überlegt, was die beste Form für diesen Text sein sollte. In den vergangenen Jahren stand an dieser Stelle oft eine kommentierte Liste. Das wäre sicher auch wieder eine Möglichkeit gewesen. Aber ich hatte noch einige weitere Dinge, die mir im Kopf herumschwirren, und die in der Liste nur schwer Platz gefunden hätten. Also ist es ein persönlicher, mäandernder Fließtext geworden. Naja.

Ich fange mit dem Persönlichsten an. 2023 war das Jahr, in dem ich selbst zum professionellen Podcaster geworden bin. Nach einigen Jahren mit Kulturindustrie als Gesprächspodcast und Ausflügen ins Podcast-Als-Blogersatz-Business mit dem Lexpod darf ich seit Januar mit LÄUFT einen Podcast im Auftrag von epd medien und Grimme-Institut hosten und produzieren, in dem ich Interviews zu Medienthemen führe und seit der zweiten Jahreshälfte auch kleine eigene Kritiken einspreche. 

Ich bin auf LÄUFT sehr stolz und ich lerne mit jeder Folge neue Dinge dazu, nicht zuletzt natürlich mit meiner ersten narrativen Folge zur ZDF-Sendung X-Base, die ich zum Ende des Jahres produziert habe. Dazu schreibe ich mal einen eigenen Post, wenn die zweite Folge veröffentlicht ist. Allgemein möchte ich zur Arbeit an LÄUFT vielleicht zwei Dinge zusammenfassend sagen: 1. Mit LÄUFT ist mir erst so richtig klargeworden, wie umkämpft der Podcastmarkt wirklich ist, aber auch, welche unterschiedlichen Metriken man anlegen kann, um seinen eigenen Erfolg zu messen (Gruß an David). 2. Mit das Beste am Podcast ist, dass ich eine Redaktion habe, die mir für viele Folgen das eigene Themen finden und recherchieren abnimmt und mich vorab auf die wichtigsten Aspekte für ein Interview stößt und brieft. Hinterher schaut sie dann kritisch drauf und sagt mir, wenn ich Fehler gemacht habe. Kurzum: Durch redaktionelle Arbeit wird alles besser, auch Podcasts. 

Damit genug von mir, kommen wir zum Rest der Landschaft.

Als ich vor ein paar Tagen versucht habe, eine Liste zusammenzustellen, habe ich erst gemerkt, wieviele Podcasts ich nicht gehört habe. Dieses Phänomen kenne ich natürlich aus anderen Jahren, vor allem im Bereich Filme, aber diesmal hat es mich schon etwas geärgert. Ich habe nach wie vor keine gute Routine dafür gefunden, wie ich alle meine regulären Podcasts hören kann und Zeit dafür finde, aktuelle Produktionen zu entdecken, außer sie irgendwie dazwischenzuschieben und eventuell mal auf ein paar Folgen meiner geliebten Comfort Foods zu verzichten.

Zu wenig Podcasts habe ich demnach nicht gehört (Pocket Casts sagt: 33 Tage), aber dennoch fehlen in meinen Betrachtungen leider solche gelobten Produktionen wie 344 Minuten, Zugunglück Eschede – 25 Jahre danach, Grenzgänger und SchwarzRotGold: Mesut Özil zu Gast bei Freunden, aber ich hoffe, dass ich zumindest einige davon noch nachholen werde.

Mein Lieblingspodcast: Scambit

Grundsätzlich ist es, finde ich, ziemlich gut, dass die ARD 2023 größer als zuvor ins Auftrags- und Koproduktions-Spiel eingestiegen ist, um Podcast-Content für die Audiothek zu generieren. Diese Strategie schafft Raum für unterschiedliche Produktionsarten und Tonfälle auf hohem Niveau (weil: Geld). Mein Lieblingspodcast des Jahres, Scambit, ist so entstanden, beauftragt vom WDR und Funk, produziert von der Berliner Produktionsfirma ACB Stories. 

Scambit erzählt dem Pitch nach die Geschichte des angeblichen Schachbetrugs von Hans Niemann im Duell mit Magnus Carlsen, der durch die Spekulation um Analkugen Internet-Notoriety erlangt hat. 

Eigentlich ist der Podcast, der angenehm kurze vier Folgen hat, aber ein allgemeiner Überblick darüber, wie sich die Schachwelt in den letzten Jahren unter dem Einfluss von Online-Gaming, Pandemie und The Queen’s Gambit verändert hat. Das ist nicht nur interessant, weil es ein nerdiges Rabbit-Hole ist, sondern auch, weil Yves Bellinghausen es einfach verdammt unterhaltsam erzählt, inklusive Selbstversuchen und Gastauftritten. Scambit ist Podcast unter dem Einfluss von YouTube-Kultur. Was für manche abschreckend wirken mag, finde ich genau richtig – und ich wünsche mir mehr davon.

Auch einige andere Produktionen, die ich mochte, sind in solchen ARD-Modellen entstanden, zum Beispiel Dark Matters (RBB/SWR/BosePark), dessen hervorstechendstes Merkmal sicher die Doppelfolgen sind – eine liefert klassisches journalistisches Storytelling, die andere ein Hintergrund-Interview dazu. Oder auch das Hörspiel Mia Insomnia von Gregor Schmalzried, in dem die Hauptfigur Podcasterin und Fan von alten Kassetten-Hörspielen ist, also maximale Audio-Liebhaberei mitbringt.

Teurer Wohnen: Explaining Is Not A Crime

Teurer Wohnen, dieses Jahr bereits mit mehreren Preisen dekoriert, ist ebenfalls eine RBB-Koproduktion mit detektor.fm, aber begeistert hat mich daran etwas anderes. Teurer Wohnen ist richtig guter Erklärjournalismus, und es gibt kaum etwas was ich besser finde. Immer wieder kommen auf dem Podcast-Markt Produktionen breitbeinig daher und brüsten sich mit ihrer investigativen Haltung. Sie wollen Skandale aufdecken oder zum Kern von Sachverhalten vordringen, aber scheitern dabei oft an ihrem eigenen Anspruch.

Das trifft meiner Ansicht nach auch auf die beiden Produktionen der neuen Tamtam-Firma TRZ Media aus diesem Jahr zu. Sowohl Boys Club (über Axel Springer, produziert mit Spotify) als auch Hitze (über die Letzte Generation, produziert mit dem RBB) versprechen in gewisser Weise, richtig nah an ein ohnehin brisantes Thema ranzugehen, um seine Signifikanz besser zu verstehen, eiern aber am Ende in vagen Conclusios herum. 

Teurer Wohnen hingegen investiert sehr viel Zeit, um seinen Hörer:innen ein scheinbar unfassbar dröges Thema, den deutschen Immobilienmarkt, sehr genau zu erklären. Das Ergebnis: Man ist hinterher allgemein schlauer und hat anhand der konkreten Beispiele gelernt, welche Auswirkungen eben dieses dröge Thema jeden Tag auf das Leben vieler Menschen hat – vielleicht sogar auf mich selbst. Wenn ich mir einen Podcast mit dem entsprechenden Budget für mich selbst backen könnte, würde er jedenfalls mit Sicherheit irgendwas erklären. 

Diese Art von Explainer Journalism macht Planet Money ja seit Jahren sehr erfolgreich. Der Dreiteiler, in dem das Team eine Episode von generativer KI schreiben und produzieren lässt, gehört deswegen auch zu den besten Stücken zu KI, die ich dieses Jahr gehört habe. Während der öffentlich-rechtliche Rundfunk 2023 nicht nur zwei, sondern drei fast identisch formatierte Podcasts zum Thema Künstlche Intelligenz gelauncht hat. Da kann man die Gebührenfeinde manchmal doch verstehen.

Storytelling: Falle und Werkzeug

Ich glaube, dass sich in der Gegenüberstellung von den TRZ-Podcasts und Produktionen wie Teurer Wohnen oder Scambit ein zentrales Problem der momentanen Podcastlandschaft manifestiert. Viele Journalist:innen wollen Storytelling nach einem bestimmten Modell machen, egal ob das Thema, das sie sich ausgesucht haben, wirklich eine dafür geeignete Story hat. Wenn sich keine Dramaturgie mit Wendepunkten und immer neuen Überraschungen stricken lässt, ist man mit einer reportagenhaften oder erklärenden Erzählhaltung manchmal besser dran.

Dann kann man sich als journalistische Erzähler:innen-Figur aber natürlich auch leider nicht so in den Mittelpunkt stellen, das ist aber ohnehin etwas, wovon ich nächstes Jahr weniger hören möchte. Dark Avenger habe ich unter anderem deswegen abgebroche. Liebe Kolleg:innen, ich möchte eure alten Nachdenk-Meetings und Sprachnachrichten nicht in meinem Podcast, wenn sie nichts zur Geschichte beitragen. Davon habe ich jeden Tag auch so schon genug im Büro.

Dafür lohnt auch der Blick in die USA, die übrigens in Sachen Podcasts meiner Ansicht nach nicht mehr das leuchtende Vorbild sind, das sie mal waren, was sicher auch am Podcast-Blutbad liegt. The Retrievals (Serial Productions) gehört nicht zu meinen Lieblingspodcasts des Jahres, aber er ist natürlich trotzdem hervorragend produziert. Eine erschreckende, aber eigentlich einfache Geschichte (Frauen erleiden in einer Kinderwunsch-Klinik bei der Ei-Entnahme schreckliche Schmerzen, weil eine der Krankenschwestern Betäubungsmittel stiehlt) wird in einer Art Rashomon-Prinzip aus immer wieder neuen Blickwinkeln betrachtet, vor- und zurückgespult, um eine zentrale These zu erörtern: Der Gesellschaft sind Leiden von Frauen im Wesentlichen egal. Diese These steht bereits am Ende der ersten Folge, aber sie wird durch die Dramaturgie immer wieder neu zementiert – wenn etwa die Hintergrundgeschichte der Krankenschwester oder das Urteil der Richterin enthüllt wird. Das Große entsteht aus dem Kleinen, ohne dass es immer wieder behauptet werden muss.

Ghost Story (Wondery) ist im Kern ebenfalls keine riesige Geschichte. Ein Mordfall aus den 1930er Jahren und eine Reihe von Spukgeschichten über ein Haus in London stehen am Anfang des Podcasts, größere Gedanken über die Geschichten, die wir über unsere Familien erzählen, an seinem Ende. Vieles von dem, was dazwischen passiert, ist völlig aufgeblasener Quatsch – vor allem an den Spukgeschichten wird viel zu lange festgehalten (angeblich, weil sie auch als Metapher fungieren, aber das wäre auch ohne Séance möglich gewesen). Das Entscheidende ist: Der Podcast ist so gut erzählt, dass er einen wie ein guter Page Turner einfach durchgängig am Haken hält. Das ist mir noch einmal klarer geworden, als ich die diese Woche erschienene Bonus-Episode gehört habe, in der die Macher:innen ein stückweit berichten, was sie alles weggelassen haben, um ihre Story besser zu formen.

Weitere Gedanken

  • Schönster neuer Laberpodcast des Jahres war für mich Anja Rützels Verbrechen am Fernsehen (Studio Bummens, mein Interview mit Anja). Er beweist für mich einerseits, dass man erfolgreich und unterhaltsam Medienkritik als Podcast betreiben kann, und, dass Promi-Interviews einfach viel interessanter sind, wenn man etwas hat, worüber man redet, was nicht die Promis selbst sind.
  • Den PodcastPodcast (detektor.fm) als tägliches Podcast-Entdeckungsformat finde ich eine tolle Idee (nicht nur, weil ich selbst dafür geschrieben habe), die meinen Horizont sehr erweitert hat. Der Über Podcast (DLF) steckt hingegen trotz einiger guter Folgen mit Podcast-Profis leider etwas in einer Krise, aus der er sich hoffentlich wieder befreien kann. Nicht zu verwechseln übrigens auch mit Übers Podcasten, dessen Inhalt ich wertvoll finde, aber mit dessen Machart ich nach wie vor etwas kämpfe.
  • 50 MPH ist die Art Projekt, in das ich mich beinahe gegen meinen Willen, verlieben musste, einfach weil ich detaillierte Oral Historys über die Entstehung von Filmen so mag und Speed für mich, wie für Host Kris Tapley, einfach ein wichtiger Aufwachs-Film war. Große Inspiration für die LÄUFT-Folge zu X-Base.
  • Da ich immer auch auf die formelle Seite von Podcasts schaue: Future Tense Fiction fand ich ein schönes Experiment von Slate, Fiction und Non-Fiction in einem Podcast zu verbinden. Und das Audiobuch The Best Audio Storytelling 2022 (Pushkin) war ein tapferer neuer Versuch, Audio-Kuration zu betreiben. Ich bin gespannt, ob es erfolgreich genug war, dass sie es nächstes Jahr wieder machen.
  • Schließlich habe ich, wie fast immer, eine This American Life Folge, die ich besonders mochte: Math or Magic. Es geht um Liebe. Eine perfekte Folge für einen Winterspaziergang zwischen den Jahren.

LÄUFT geht übrigens 2024 weiter, und wer weiß: vielleicht schaffe ich es sogar, beruflich noch mehr mit Podcasts zu tun zu haben. Ich war dieses Jahr schon einmal knapp davor, am Ende hat es aber leider nicht geklappt. Aber falls da draußen jemand einen Podcast-Redakteur mit Hosting- und Producing-Erfahrung sucht: You know where to find me.

Titelbild: DALL-E